Der Krimi „Falsches Zeugnis“, den ich unter dem Arbeitstitel „Die Untertaucher“ geschrieben habe, spielt im Münsterland mit einem Ausflug nach Amsterdam. Zwei junge Männer haben – inspiriert von der Fälschung der Hitler-Tagebücher – die Idee, eine Fortsetzung des Tagebuchs von Anne Frank zu fälschen und dieses für viel Geld zu verkaufen. Dann geht etwas schief, eine alte Frau kommt zu Tode. Die Ermittlungen führen die Hobby-Detektivin Karina Bessling bis nach Amsterdam. Das Besondere an diesem Krimi, den ich auf Bitte des Verlags geschrieben habe, ist das gefälschte Tagebuch, das sich durch das Buch zieht und das ich nach einer aufwendigen Recherche geschrieben habe. Ich habe die letzten sechs Wochen im Leben von Anne Frank, aus denen es von ihr kein Tagebuch gibt, recherchiert und aus den Fakten Tagebucheinträge verfasst. Der Krimi ist also einerseits eine spannende Story und erzählt andererseits das Leben und Leid des jüdischen Mädchens Anne Frank. Daher gibt es zu diesem Roman einige Artikel, die ich für meinen früheren Blog geschrieben und hier nun zusammengestellt hat.
Birgit Ebbert: Falsches Zeugnis. Gmeiner Verlag 2015
Aus dem Recherchekästchen zu Falsches Zeugnis
01.02.2015 Falsches Zeugnis – Krimi rund um das Tagebuch von Anne Frank
07.03.2016 Wieder einmal Anne Frank
04.03.2015 Falsches Zeugnis – Bücher & Filme über Anne Frank
12.06.2014 Anne Frank – eine Kinder-Emigrantin
18.02.2014 Die letzten Monate von Anne Frank
11.01.2014 Wehmütiger Rückblick auf das Poesiealbum
10.01.2014 Anne Frank – Gesamtausgabe ihrer Werke
09.12.2013 Westerbork – Filmdokumente aus 1944
20.10.2013 „Einblick – Ausblick“ – Start des Familie Frank Zentrums in Frankfurt
01.02.2015 Falsches Zeugnis – Krimi rund um das Tagebuch von Anne Frank
Jedes Buch enthält nicht nur eine Geschichte, es hat auch eine Geschichte. Die meines neuen Krimis „Falsches Zeugnis“, der jetzt im Gmeiner Verlag erscheint, ist wieder einmal – wie könnte es anders sein – etwas komplexer.
Das Thema wartete nämlich nicht in einem meiner Ideen-Ordner darauf realisiert zu werden, es wurde von außen an mich herangetragen. Vom Verlag, um genau zu sein. Nachdem „Brandbücher“ erschienen war, sprachen wir über neue Projekte und man fragte, ob ich mir vorstellen könnte, einen Krimi rund um das Tagebuch von Anne Frank zu schreiben. Dazu muss man wissen, ich liebe solche Denk-Herausforderungen. Ich habe viele Ideen und muss mindestens 100 werden, um alle Bücher zu schreiben, die in meinem Kopf sind. Aber mir Gedanken darüber zu machen, wie ich ein Thema in einer Geschichte oder einem Krimi unterbringe, das gibt mir einen besonderen Kick. Dann vergesse ich alles um mich herum. Also nur her mit solchen Denk-Aufgaben. Im nächsten Leben gründe ich eine Denkfabrik.
Ich habe zwar damit gerechnet, dass mir etwas einfallen würde, dennoch habe ich mir Bedenkzeit ergeben. Mir war schon klar, dass in dem Thema auch eine Brisanz steckt. Man darf Anne Franks Leben nicht verklären und ihren Tod nicht verharmlosen, eine Gratwanderung für einen Krimi. Ich glaube, dass ich sie gemeistert habe und bin gespannt, wie die Leser und Experten das sehen. Bei „Brandbücher“ habe ich auch lange gebangt, bis mir eine Historikerin aus Münster gesagt hat, ich hätte das Thema historisch einwandfrei und auch sonst hervorragend getroffen.
Eingestiegen in den Denkprozess bin ich damit, dass ich mein Exemplar des Tagebuchs durchgeblättert habe, um zu sehen, was ich als 15-Jährige unterstrichen habe. Dann habe ich im Internet recherchiert. Da suche ich in dieser ersten Phase Impulse zum Weiterdenken und mich interessiert vor allem, was Medien und Menschen in aller Welt zu dem Thema schreiben. So bin ich darauf aufmerksam geworden, dass in 31 japanischen Bibliotheken insgesamt über 200 Exemplare des Tagebuchs zerstört wurden. Ich habe erfahren, dass die Kastanie, auf die Anne Frank geblickt hat, 2010 umgestürzt ist, nachdem sie bereits mit einem Stahlgerüst gestützt worden war.
Bei der Recherche wurde ich auf das Buch und den Film von Willy Lindwer aufmerksam. Er hat Frauen befragt, die Anne Frank in den letzten sieben Lebensmonaten nach ihrer Verhaftung getroffen haben. Weder von dem Film noch von dem Buch hatte ich je gehört. Ich habe es sofort mit vielen anderen Büchern in einem Antiquariat bestellt und es, kaum war es eingetroffen, verschlungen. Da wusste ich, welchen Teil von Annes Leben in meinem Krimi vorkommen sollte.
Im nächsten Schritt musste ich überlegen, wie ich diese nicht einfach Lebensgeschichte einbauen konnte. In „Brandbücher“ gibt es einen Handlungsstrang, der 1933 spielt. Aber es kam für mich nicht in Frage, in Erzählform das Leben Anne Franks während der Deportation zu beschreiben. Das passte für mich nicht in einen Krimi. Die einzige Lösung waren fingierte Tagebucheinträge. Die Idee fand ich genial, zumal ich sicher bin, dass sie Anne Frank gefallen hätte. Außerdem ist es theoretisch durchaus möglich, dass sie auch im Lager noch geschrieben hat, Zeitzeugen haben sie zumindest in den ersten Wochen aus fröhlich und zukunftsorientiert beschrieben. Es gibt Frauen, die im Konzentrationslager Tagebuch geführt haben, vielleicht ist das von Anne Frank verloren gegangen oder vernichtet worden, wer weiß.
Nachdem das klar war, musste ich „nur“ noch eine Story erfinden, in der die Tagebucheinträge gefälscht werden, sodass ich sie als Teil der Story einbinden kann. Da habe ich mich an einen Fernsehfilm über die gefälschten Hitler-Tagebücher erinnert und schon war die Geschichte in meinem Kopf fertig. Ich musste nur noch die nötigen Figuren erfinden, das Exposé schreiben und dem Verlag schicken. Das habe ich vor knapp zwei Jahren getan und wenig später kam das „go“ für die Geschichte.
Schon während der Ideenfindung habe ich – wie ich es zu jedem Thema mache – ein Google Alert erstellt. Auf diese Weise bekam ich mit, was über Anne Frank veröffentlicht wurde, zum Beispiel, dass in ihrer Geburtsstadt Frankfurt ein Familie Frank-Zentrum eröffnet wurde und in einem Programmkino in Münster der Film „Westerbork“ mit Originalaufnahmen über das Aufnahmelager in den Niederlanden, in dem auch Anne Frank einige Wochen war, gezeigt wurde. Manche der Erkenntnisse, die ich bei diesen und anderen Besuchen gewonnen habe, kommen in dem Krimi nicht oder nur in einem Satz vor. Sie dienen vor allem dazu, die Atmosphäre zur Lebens- und Sterbenszeit von Anne Frank aufzunehmen, um sie in der Geschichte aufzugreifen. Ich hoffe, ich habe es geschafft und würde mich freuen, wenn der Krimi den Lesern spannende Stunden beschert und sie anregt, wieder zu der Ausgabe des Tagebuchs von Anne Frank zu greifen, das sie in ihrer Jugend gelesen haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Tagebuch im Regal der Leser steht, teilt es sich doch mit der Bibel die ersten Plätze auf der Liste der meistverkauften Bücher auf der ganzen Welt. Hier hat sich nach dem Tod noch ein Lebenstraum erfüllt. © Birgit Ebbert
07.03.2016 Wieder einmal Anne Frank
In zwei Wochen jährt sich erneut Anne Franks vermuteter Todestag. Ganz genau kennt man ihn nicht, sondern weiß nur, dass sie Anfang März 1945 gestorben sein muss. Vermutlich wurde deshalb auch der Filmstart der Verfilmung des Tagebuchs auf den 3. März gelegt. Als ich das mitbekam, fiel mir auf, dass mein Krimi rund um das Tagebuch im letzten Jahr irgendwie untergegangen ist – bei mir lag es daran, dass ich so viele neue Projekte hatte, dass mir schlichtweg die Zeit fehlte, auf das Buch hinzuweisen. Und dabei habe ich so viel recherchiert und vor allem so lange daran gearbeitet, meine fiktiven Tagebucheinträge über die letzten sieben Lebensmonate in Annes Stil zu verfassen. Die Fakten über ihre Zeit in Westerbork, Auschwitz und Bergen-Belsen habe ich aus Interviews und Erinnerungen übernommen und mit Tagebucheinträgen von Frauen, die in den Lagern waren, abgeglichen. Das war nicht leicht, aber auch überraschend, weil es zeigte, wie die Lagerbewohner den Alltag bewältigt haben. Mir war das bis dahin unbekannt.
Vielleicht machen die beiden folgenden Auszüge aus meinem Buch neugierig auf die Geschichte, die ich im Münsterland angesiedelt habe und in der wieder Bauingenieurin Karina Bessling ermittelt.
Freitag, 4. August 1944
Liebe Kitty!
Nun ist es also so weit. Ich verabschiede mich von dir, weil ich nicht weiß, ob ich noch einmal Gelegenheit habe, dir zu schreiben. In letzter Minute konnte ich Bleistifte, einige leere Hefte, die Bep vor Kurzem besorgt hat, und ein Buch in meine Tasche packen. Eines der Hefte trägt noch die Aufschrift ›Markenfrei erhältlich‹. Das Papier ist grau, leider nicht so schön weiß wie meine Hefte früher.
Und die Linien sind eng und schief, aber ich bin froh, dass ich es habe. Das Tagebuch habe ich zurückgelassen. In der Aufregung. Was geschehen ist? Um halb elf hörten wir, wie jemand von der Opekta aus den Drehschrank öffnete. Pim war oben bei van Pels, um mit Peter Englisch zu lernen. Wir wussten gleich, dass etwas nicht in Ordnung war. Wenn Miep, Bep, Herr Kleiman oder Herr Kugler kamen, waren sie immer leise und besorgt, dass niemand sie bemerkte. Jetzt waren unbekannte Männerstimmen zu hören, die herumbrüllten. Wie eine Horde Elefanten trampelten sie die schmale Treppe hinauf. Wir konnten nichts machen. Wohin sollten wir auch fliehen. Ich kam mir vor wie die Maus, die Moortje vor langer Zeit in eine Ecke unseres Speisezimmers gedrängt hat. Was wohl aus Moortje geworden ist? Ob sie es bei ihrer neuen Familie gut hat?
Vier Männer kamen herein, drei waren von der Polizei, der andere trug die Uniform der Gestapo. Sie brüllten uns an und wir mussten uns ruhig verhalten. Ein Mann ging weiter zu van Pels. Wenig später kam er mit Vater und Peter zurück. Er hielt eine Pistole in der Hand und fragte, wo die Wertsachen seien. Vater zeigte auf den Wandschrank, in dem er seine Kassette aufbewahrte. Der Mann nahm Papas Aktentasche, in der ich immer mein Tagebuch versteckte, schüttete sie aus und tat die Wertsachen aus der Kassette hinein. Mein Tagebuch und alle meine Notizen flogen herum.
Was mag aus dem Tagebuch werden? Der Nazi hat es nicht beachtet, er hat die Tasche ausgeleert und ist mit seinen Stiefeln über die Hefte und Blätter gegangen. Er hat mein Leben mit Füßen getreten. Ob Miep oder Bep das Tagebuch retten können? Von anderen Untertauchern wissen wir, dass nach der Verhaftung die Wohnung von einer Nazi-Spedition geräumt wird. Ach, Kitty, wenn sie meine Gedanken an dich lesen!
»Fertig machen!«, riefen die Männer und wir hatten nur wenige Minuten Zeit, unsere Sachen zusammenzusuchen. Zum Glück hatten wir schon lange ein Notköfferchen mit den wichtigsten Dingen gepackt. Und Brustsäckchen hatten wir uns genäht, um unser Geld mitzunehmen. Als wir fertig waren, sah einer von den Männern die Kiste, die Vater noch aus dem Krieg besaß. Pim unterhielt sich mit einem Mann und erzählte, dass wir seit zwei Jahren im Hinterhaus lebten. Der Gestapo-Mann wollte das nicht glauben. Vater hat ihm die Stelle gezeigt, an der er markiert hat, wie viel ich gewachsen bin. Meine Sammlung von Filmpostern und mein Tagebuch interessierten sie zum Glück nicht. Was heißt zum Glück? Ich musste alles zurücklassen und im Augenblick sieht es nicht danach aus, als würde ich meine Schätze jemals wiedersehen.
Wir mussten in einen Polizeiwagen ohne Fenster steigen. Die ganze Fahrt über hat keiner etwas gesagt. Jetzt sind wir im Hauptquartier des Sicherheitsdienstes in der Euterpestraße. Das hat mir einer der Polizisten zugeflüstert, als sie uns hier in einem Raum eingeschlossen haben. Von ihm weiß ich auch, dass wir besonders hart bestraft werden sollen, weil wir uns den Nazis vorenthalten haben. Was soll das heißen? Und was geschieht mit Herrn Kleiman und Herrn Kugler? Sie haben uns alle zusammen hier eingeschlossen – mit anderen Gefangenen. Pim flüstert Herrn Kleiman zu, wie leid es ihm tut, dass er unseretwegen hier sitzen muss. Herr Kleiman beruhigt ihn und sagt, dass er es nicht bereut, dass er uns geholfen hat. Doktor Dussel sitzt da wie eine Statue und starrt vor sich hin. Ich kann ihn verstehen. Seine Frau weiß nicht, wo er ist, und er weiß nicht, was aus ihr wird. Van Pels und wir sind zusammen. Er ist allein. Und keiner weiß, was werden wird. Ich habe Angst, aber ich bin froh, dass wir hier alle zusammen sind
Deine Anne
Samstag, 18. November 1944
Liebe Kitty!
Stell dir vor. Sie haben entschieden, im ganzen Lager am Samstag Kinderfeste zu organisieren. Tod und Feier direkt nebeneinander. Wer denkt sich so etwas aus? In jeder Baracke sieht das Fest anders aus. Es gibt kleine Theateraufführungen, Singkreise, Texte werden vorgetragen. So unwirklich und doch eine Abwechslung in dem fürchterlichen Alltag, in dem der Tod immer hinter einem steht.
Deine Anne aus der Unwirklichkeit
Mittwoch, 13. Dezember 1944
Liebe Kitty!
Stell dir vor, ich habe Nanny getroffen. Nanny Bitz. Sie war mit mir im jüdischen Lyzeum und an meinem letzten Geburtstag dabei. Damals, als wir den Film angeschaut haben, in dem Rin Tin Tin einem Leuchtturmwärter aus der Patsche hilft. Das scheint mir drei Leben her zu sein. Sie hat erzählt, dass Jacques gerettet wurde. Ach, vielleicht komme ich hier heraus. Dann werde ich ein Buch schreiben. Die Briefe an dich werden mir helfen, alles richtig zu beschreiben und zu erklären. Minister Bolkestein hat gesagt, solche Erinnerungen werden gebraucht und Menschen die schreiben wollen. Ich will. Gott, wenn es dich gibt, lass mich so lange durchhalten, bis der Krieg aus ist. Was mache ich dann ohne meine Eltern? Wenn meine Mutter lebte, wäre sie sicher mit Margot und mir nach Bergen-Belsen gebracht worden. Und Pim war 55, als wir nach Auschwitz kamen. Ich habe nur noch Margot.
Deine Anne
04.03.2015 Falsches Zeugnis – Bücher & Filme über Anne Frank
In den nächsten Tagen jährt sich zum 70sten Mal der Tag, an dem Anne Frank im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus und Entkräftung starb. Wann genau das war, ist nicht bekannt. In den letzten Kriegswochen hat sich niemand mehr die Mühe gemacht, Todesdaten aufzuschreiben und erst recht nicht, die Verstorbenen zu beerdigen. In meinem Krimi „Falsches Zeugnis“ habe ich versucht, Ereignisse aus Annes letzen Lebensmonaten mit einer spannenden Geschichte zu verbinden, um das Andenken an das Mädchen und die Geschehnisse vor 70 Jahren ein weiteres Mal zu sichern. Jedes Buch, das über die unfassbaren Taten in jener Zeit geschrieben wird, leistet einen Beitrag gegen das Vergessen.
Neben Besuchen von Ausstellungen wie die im Familie Frank Zentrum und Institutionen wie die Gedenkstätte Bergen Belsen sowie der Recherche im Internet bildeten Bücher von und über Anne Frank die Basis meiner Arbeit an dem Buch. Die Bücher aus meinem Regal habe ich hier zusammengetragen und um ein oder zwei Veröffentlichungen ergänzt, die nach Abgabe des Manuskripts erschienen sind.
Bücher
- Anne Frank. Tagebücher. Geshichten aus dem Hinterhaus. Erzählungen. Briefe. Fotos und Dokumente. Gesamtausgabe. S. Fischer 2013
- Anne Frank: Das Tagebuch der Anne Frank. Fischer-Taschenbuch 1978
- Anne Frank: Geschichten und Ereignisse aus dem Hinterhaus. FischerBoot 1982
- Anne Frank Haus: Ein Museummit einer Geschichte. Anne Frank Stichting 2001/2008
- Anne Frank Stiftung: Anne Frank. Oetinger 1993
- Anne Frank Zentrum (Hrsg.) Liebe Anne. Ein Buch für Anne Frank. Fischer Schatzinsel 2005
- David Barnow: Anne Frank. Vom Mädchen zum Mythos. Econ & List 1999
- Mies Bouhuys: Anne, Kitty und die beiden Paulas. dtv 1994
- Irène Cohen-Janca: Annes Baum. Gerstenberg 2011
- Ernie Colon, Sid Jacobson: Das Leben von Anne Frank. Eine grafische Biografie. Carlsen 2010
- Theo Coster: In einer Klasse mit Anne Frank. Herbis 2011
- Sharon Dogar: Prinsengracht 263. Die bewegende Geschichte des Jungen, der Anne Frank liebte. Carlsen 2014
- Ellen Feldmann: Der Junge, der Anne Frank liebte. DVA 2005
- Miep Gies: Meine Zeit mit Anne Frank. Scherz Verlag 1987 (in einer Lizenzausgabe des Deutschen Bücherbundes)
- Alison Leslie Gold: Erinnerungen an Anne Frank. Ravensburger 2009
- Matthias Heyl: Anne Fraknk. Rororo Monographie. Rowohlt Taschenbuch 2002
- Carol Ann Lee: Otto Franks Geheimnis. Der Vater von Anne Frank und sein verborgenes Leben. Piper 2006
- Shmuel Thomas Huppert: Habe ich Anne Frank gesehen? Bleicher 1999
- Willy Lindwer: Anne Frank. Die letzten sieben Monate. Augenzeuginnen berichten. Fischer Taschenbuch 1993
- Jacqueline van Maarsen: Ich heiße Anne, sagte sie, Anne Frank. Fischer Taschenbuch 2005
- Melissa Müller: Das Mädchen Anne Frank. Die Biographie. List 2000
- Josephine Poole, Angela Barrett, Mirjam Pressler: Anne Frank. Arena 2005
- Mirjam Pressler/Gerti Elias: Grüße und Küsse an alle. Die Geschichte der Familie von Anne Frank. Fischer Taschenbuch 2011
- Mirjam Pressler: Ich sehne mich so. Die Lebensgeschichte der Anne Frank. Beltz Gelberg 1992
- Eva Schloss, Julia Kent: Evas Geschichte. Annes Stiefschwester erzählt. Brunnen 2014
- Ernst Schnabel: Anne Frank. Spur eines Kindes. Fischer Taschenbuch 19815
- Madeleine Weishaupt (Hrsg.): Briefe an Anne Frank. Edition Knurrhahn 2005
- Berndt W. Wesseling: Auf der Straße der Anne Frank. Eine Autobiographie. Metropol 1995
- Cara Wilson: Alles Liebe, Otto. Das Erbe Anne Franks – Der Briefwechsel zwischen Cara Wilson und Otto Frank. Perseus Verlag/Anne Frank-Fonds 1994
Filme
- Das Tagebuch der Anne Frank. Twentieth Century Fox 1959/2004
- Meine Tochter Anne Frank. Universum Film 2015
- Kamp Westerbork. De Film. Herinneringscentrum Kamp Westerbork 2011
- Geburtstag von Anne Frank. Johannes B. Kerner. ZDF 2006
Audio CD
- Waltraud Lewin, Ulla Wagener: Wenn du jetzt bei mir wärst. audio media Verlag 2015
CD-Rom
- Anne Frank Haus. Ein Haus mit einer Geschichte. Anne Frank Haus 2000
Daneben habe ich eine Fülle von Internetartikeln gelesen, die teilweise in einem Nebensatz nur, in das Buch einfließen, zum Beispiel der Artikel „Unbekannte fällen den Anne Frank-Baum“ (Welt 10.12.2013) oder der Artikel über die verbrannten Tagebücher in Japan.
12.06.2014 Anne Frank – eine Kinder-Emigrantin
Seit ich an meinem Roman arbeite, in dem Anne Frank eine Nebenrolle spielt, ergeben sich immer wieder Gespräche über das Thema. Und wenn ich dann frage, welche Nationalität Anne Frank eigentlich hatte, bekomme ich meist als Antwort: Sie war doch Holländerin. War sie nicht. Auch keine Niederländerin, wie es richtig heißen müsste. Sie war Deutsche. In ihrem Tagebuch schreibt sie am 9. Oktober 1942 „Ein schönes Volk, die Deutschen, und da gehöre ich eigentlich auch noch dazu! Aber nein, Hitler hat uns längst staatenlos gemacht.“ (Quelle: Anne Frank Gesamtausgabe 2013)
Die Familie ihres Vaters Otto Frank war eine angesehene Frankfurter Familie, der Vater besaß eine Bank und die Frankfurter Wurzeln seiner Mutter ließen sich bis ins 16. Jahrhundert zurückführen.
Die Mutter von Anne Frank kam aus einer wohlhabenden Familie in Aachen, der mehrere Metallfabriken gehörten.
Die ersten drei Jahre ihres Lebens verbrachte Anne in Frankfurt, als sie geboren wurde, wohnte die Familie in einem Doppelhaus im Marbachweg 307, später zog sie in die Ganghoferstraße 24 in einem Stadtteil, der gemeinhin „Dichterviertel“ genannt wurde. Von dort aus emigrierten Edith und Otto Frank 1933 mit Anne und ihrer älteren Schwester Margot nach Amsterdam.
Wie viele Juden Anfang der 30er Jahre, konnte auch Otto Frank sich anfangs nicht vorstellen, dass die Nationalsozialisten wirklich Oberhand gewinnen würden und einen mit Orden ausgezeichneten Soldaten des ersten Weltkriegs, auch wenn er Jude war, diskriminieren würden. Er erkannte allerdings im Vergleich zu manch anderen Juden schnell, dass es besser war, seine Familie in Sicherheit zu bringen. 1933 gab es noch keinen Krieg, die Deutschen waren noch nicht in die Niederlande einmarschiert, da galten die Niederlande als sicheres Land für Emigranten.
Otto Frank ging zunächst allein nach Amsterdam, um dort eine Zweigstelle für die Kölner Opekta-Werke aufzubauen. Seine Frau und die beiden Kinder lebten derweilen bei den Großeltern in Aachen, bis ein neues Heim in Amsterdam gefunden und eingerichtet war.
Anfang Dezember bezogen auch die Frank-Kinder das neue Zuhause am Merwedeplein 17, einer Wohnung in einem Neubaugebiet, dem Flussviertel, dessen Bild geprägt wurde von Backsteinhäusern mit mehreren Etagen, breiten Straßen und vielen kleinen Geschäften.
Während ihre Schwester schon in die Schule gehen konnte, dauerte es zwei Monate, bis Anne in den Kindergarten der Montessori-Schule in der Nierstraat gehen konnte. Dort begann bald ihre Freundschaft mit Hannah Goslar, genannt Hanneli, die zu den wenigen Menschen aus ihrer Kindheit gehört, die Anne wenige Wochen vor ihrem Tod im Lager wiedergetroffen haben.
Nach dem Ende der Kindergartenzeit besuchte auch Anne die Montessori-Schule wie ihre Schwester. Die Erinnerungen an diese Zeit aus dem Tagebuch lassen vermuten, dass ihre Eltern es trotz der wachsenden Bedrohung schafften, ihr und ihrer Schwester ein „normales“ Kinderleben zu ermöglichten. Da ist von einem Club die Rede, den sie mit ihren Freundinnen gegründet hat, von gegenseitigen Besuchen und Geburtstagsfeiern, von Schulproblemen und Schwärmereien von Stars – all das, was heutige Kinder genauso tun. Selbst Reisen gab es gelegentlich. Als ich bei der Eröffnung des Familie Frank-Zentrums in Frankfurt war, erzählte Annes Cousin Buddy Elias, dass die Familie Frank bei ihnen zu Besuch war und sie zusammen gespielt hätten. Ein Beleg könnte das Quartett sein, dass Buddy Elias über die Familien Frank-Elias gebastelt hat.
Nach dem Einmarsch der Deutschen in die Niederlande am 10. Mai und der Kapitulation der Niederlande am 15. Mai 1940 veränderte sich das Leben fast täglich. Die Versorgungssituation wurde schwerer, die Ressentiments gegenüber den Juden in der Bevölkerung wuchsen und die in Deutschland schon lange gültigen Rassengesetze wurden auch in den Niederlanden eingeführt. Der Alltag wurde zusehends schwerer, was die Eltern von ihren Kindern soweit möglich fernhielten. Doch spätestens am 6. Juli 1942 als die Familie im Hinterhaus der Firma Opekta an der Prinsengracht 263 untertauchte, endete die unbeschwerte Kindheit von Anne Frank. Wenige Tage nach ihrem 13. Geburtstag. Im August 1944 wurde die Familie verhaftet, eine Odyssee durch die Lager der Nazis begann, die nur Annes Vater überlebte. Anne Frank starb im März 1945, der genaue Todestag ist nicht bekannt wie auch keiner weiß, wo sie begraben ist. Seit einigen Jahren erinnert ein Grabstein auf dem Gelände des Konzentrationslagers Bergen-Belsen an Anne und ihre Schwester Margot, die in dem dortigen Frauenlager einen jämmerlichen Tod starben.
18.02.2014 Die letzten Monate von Anne Frank
Damit nicht der Eindruck entsteht, ich triebe mich den ganzen Tag in Schokoladen-Cafés und Ausstellungen herum oder recherchierte über Liebesschlösser, ist hier ein Einblick in meine Recherchelektüre für den neuen Krimi rund um Karina Bessling. Auf dem Regal neben meinem Schreibtisch stapeln sich Bücher, DVDs und sogar eine CD-Rom über das Leben von Anne Frank. Im Regal stehen Ordner mit Ausdrücken von Internetseiten – mit gelbem oder grünem Textmarker markiert. Und alles ist mit Klebies versehen, damit ich schnell etwas nachschauen kann.
Am meisten beeindruckt hat mich – neben dem Tagebuch von Anne Frank – ein Buch von Willy Lindwer: „Anne Frank. Die letzten sieben Monate. Augenzeuginnen berichten“. Das Buch erschien erstmals im August 1993 im S. Fischer Verlag und ist auch heute noch erhältlich. Es enthält Interviews mit Augenzeuginnen, die Anne Frank noch nach ihrer Verhaftung getroffen haben und die berichten können, wie ihr Lebensweg weiter verlief. Die Gespräche stammen aus einer Dokumentarfilmserie, die im Mai 1988 im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Sie werden jeweils eingeleitet durch eine kurze Information über das Leben der befragten Frauen und ihre Beziehung zu Anne Frank.
In dem Buch kommen unterschiedliche Weggefährtinnen von Anne Frank zu Wort wie ihre beste Freundin Hanna Elisabeth Pick-Goslar, die im Tagebuch als „Lies Goosens“ auftaucht und die Anne Frank in Bergen-Belsen wiedersprechen konnte.
Janny Brandes-Brilleslijper hat Anne Frank erst auf dem Weg nach Westerbork, am Amsterdamer Hauptbahnhof, kennengelernt. Sie traf Anne und Margot in Bergen-Belsen wieder und sie war es auch, die Otto Frank die Nachricht vom Tod seiner Töchter übermittelte, den sie selbst miterlebt hat.
Auch eine Schulkameradin kann sich an eine spätere Begegnung mit Anne Frank erinnern. Bloeme Evers-Emden kannte Anne und Margot Frank aus dem jüdischen Lyzeum. Sie traf die beiden in Westerbork wieder.
Die Begegnungen mit Anne Frank waren für mich der Anlass, das Buch zu lesen. Nachdem ich einmal begonnen hatte, haben mich die Lebensgeschichten der Frauen in den Bann gezogen. Sie beschreiben die Schikanen und Verletzungen, die Schrecken und den Hunger, die sie erlebt haben. Aber eben auch den Alltag in den Konzentrationslagern, der von eben jenem Hunger, aber auch Arbeit und Miteinander geprägt war. Ein lesenswertes Buch.
Von dem Film scheint es eine deutschsprachige Fassung unter dem gleichnamigen Titel bei Matthias-Film zu geben, die in manchen öffentlichen Bildstellen zur Verfügung steht. Willy Lindwer ist ein niederländischer Filmemacher, zu dessen Schwerpunkten die NS-Zeit und der Holocaust zählen. Für den Film „The Last Seven Months of Anne Frank“ bekam er 1988 den Emmy. In meinem DVD-Archiv steht von ihm außerdem ein Film über das Lager Westerbork, der 1990 erschienen ist. © Birgit Ebbert
Auszüge aus den Film-Interviews
Internetseite von Willy Lindwer
11.01.2014 Wehmütiger Rückblick auf das Poesiealbum
In der Gesamtausgabe der Anne Frank Werke, die ich gestern vorgestellt habe, gibt es auch das kurze Kapitel „Einträge ins Poesiealbum“. An ihre Freundin Jacqueline van Maarsen hat sie zum Beispiel am 10. März 1942 geschrieben:
„Liebe Jacque,
bleib immer ein Sonnenstrahl,
In der Schule ein braves Kind.
Für mich meine liebste Freundin,
Dann wirst du von allen geliebt.“
Zur Erinnerung an deine Freundin Anne Frank
1942! Da wollte ich doch wissen, ob und wie sich dieser Eintrag von denen unterscheidet, die in meinem Poesiealbum stehen. Beim Durchsehen habe ich mich zunächst gewundert, dass auch Lehrerinnen und sogar die Schönstatt-Schwester, die Religion unterrichtet, Kindergruppen leitete und an die ich mehrere unangenehme Erinnerungen habe, in dem Buch standen. Ob die heutigen Kinder ihre Lehrer auch ins Freundschaftsbuch schreiben lassen?
Als nächstes wunderte ich mich darüber, mit wem ich Anfang der 70er Jahre alles befreundet war. An manche Mädchen kann ich mich nicht erinnern – mit einigen habe ich aber noch immer Kontakt und sei es nur über Facebook. Andere würde ich gerne wiedersehen, finde sie aber nicht, weil sie vermutlich alle ihren Mädchennamen abgelegt haben – wie soll man da jemanden bei Facebook finden!
Witzig war der Eintrag meiner Brieffreundin. Ich war eben schon mit neun Jahren pragmatisch veranlagt. Unter dem Namen steht nämlich in Klammern: „geschrieben von Birgit Ebbert“.Und strukturiert war ich – im ersten Poesiealbum (noch ohne Initialen!) gibt es eine klare Ordnung: Nach meiner Begrüßung (siehe Bild) folgen mein Vater, meine Mutter, Platz für meine jüngere Schwester und meine Großeltern, die allerdings nie etwas hineingeschrieben haben. Dann kommt der Beitrag meiner Klassenlehrerin: „Eine Freude vertreibt hundert Sorgen.“ Erst danach durften sich die Freundinnen einreihen – Jungs habe ich in dem ganzen Album nicht gefunden. Zu der Zeit war ein Poesiealbum – glaube ich – noch ein Mädchen-Ding.
Der erste Eintrag stammt übrigens aus April 1971 und der letzte (!) vom 3. April 1981 – da habe ich anscheinend das Buch nach sechs oder sieben Jahren wieder hervorgekramt.
Ich frage mich, wie kamen wir damals an diese kurzen Gedichte, alle in einem ähnlichen Metrum und Reimschema. Ob die von Haus zu Haus kursierten? Internet gab es noch nicht. Und mit Quellenvermerken hatte man es auch noch nicht. So zitierte besagte Nonne Antoine de Saint-Exupéry „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ ohne Quellenangabe, eine Cousine allerdings schrieb: „Freue dich mit mir! Es ist so traurig, sich allein zu freuen. (Lessing)“. Ansonsten kamen die Zitate eher von den Lehrerinnen, die anderen Kinder schrieben Gedicht wie:
„Auf zwei Rädern rollt die Welt,
das eine die Liebe, das andere das Geld.“
„So wie der Glanz der Sterne,
so blühe auch dein Glück,
denk auch in weiter Ferne,
recht oft an mich zurück.“
„Ein Seehund lag am Meeresstrand
wusch sich die Schnauz im weißen Sand.
O möchte doch dein Herz so rein
wie diese Seehundschnauze sein.“
Gerne auch genommen:
„Liebe Birgit, bleib gesund,
bis zwei Kirschen wiegen ein Pfund.“
Mein absoluter Favorit aus heutiger Sicht ist dieser Beitrag auf der letzten Seite des Albums:
„Ich habe mich hinten angewurzelt, dass niemand aus dem Album purzelt.“
Die Einträge der anderen ins Poesiealbum waren ja das eine. Grausige Erinnerungen habe ich daran, wie ich in die Alben der anderen geschrieben habe. Eigentlich wäre es mal interessant zu erfahren, was ich alles geschrieben habe. Aber der Horror war immer auf diesen weißen Seiten zu schreiben, wenn wieder kein Linienblatt zur Hand war. (Kennt man heute noch ein Linienblatt) Dann wurden mit Bleistift Linien gezogen und später wieder wegradiert. Glaube ich. Hoffe ich! In meinem Album sind einige nicht wegradiert.
Meine Entdeckung im Gesamtwerk von Anne Frank zeigt, dass das Poesiealbum keine Erfindung der 70er ist. Ende des 16. Jahrhundert entstand die Sitte, jemandem einen Wahlspruch oder ein Wappen ins Stammbuch zu schreiben. Ein Brauch, der bis heute verfeinert bzw. gesellschaftlichen Trends angepasst wurde. im 16. Jahrhundert gab es eben Stammbücher, heute haben Kinder Freundschaftsbücher. Damals malte man Wappen, heute beantworten die Kinder Fragen zu ihren Interessen. Die Kernbotschaft bleibt: Der eine sichert die Erinnerung an den anderen. Nicht immer dauerhaft, wie ich bei der Durchsicht der Einträge feststellte.
Mit den meisten verbinde ich besondere Erlebnisse, aber an ein Mädchen erinnere ich mich überhaupt nicht. Sogar der Name war mir fremd, da werde ich wohl in meinen Fotoalben stöbern müssen. Und danach werde ich … – ach, das verrate ich nicht, das wäre auch ein schönes Romanthema. Es lohnt sich eben immer, in alten Unterlagen zu stöbern!
10.01.2014 Anne Frank – Gesamtausgabe ihrer Werke
Eines meiner Schwerpunktthemen in diesem Jahr ist Anne Frank bzw. ihr Tagebuch. Im letzten Jahr habe ich mich mit viel Literatur und Besuchen eingestimmt, unter anderem habe ich die Werke von Anne Frank in der neu erschienenen Gesamtausgabe wiedergelesen. In meinem Bücherregal stand selbstverständlich das Tagebuch in einer Fischer-Taschenbuch-Ausgabe von 1979 mit einem Vorwort von Albrecht Goes und außerdem die FischerBoot-Ausgabe von „Geschichten und Ereignisse aus dem Hinterhaus“ von 1982.
Um die Dimension des Tagebuchs deutlich zu machen, ein Auszug aus dem Impressum meines alten Exemplars: 1979 gab es vier Ausgaben: die 47. Auflage im März (1.463.000 – 1.502.000), August 48. Auflage (1.503.000 – 1.542.000), September 49. Auflage (1.543.000 – 1.582.000) und Dezember die 50. Auflage (1.583.000 – 1.622.000). Beeindruckend, oder? Inzwischen ist das Buch neben der Bibel das meist verkaufte Buch der Welt.
Im Dezember 2013 ist eine Gesamtausgabe der Texte von Anne Frank erschienen, die sich dadurch von ihren Vorgängern abhebt, dass sie sämtliche bekannten Texte enthält und vor allem die verschiedenen Fassungen des Tagebuchs, die in Umlauf sind. Deshalb habe ich beim Lesen so manches Mal da gesessen mit der gut 800 Seiten umfassenden Gesamtausgabe und meinen alten Büchern, um sie zu vergleichen. Wesentliche neue Erkenntnisse über Anne Frank habe ich dadurch nicht gewonnen, aber es ist doch interessant zu sehen, zu welch unterschiedlichen Formulierungen die verschiedenen Übersetzerinnen kamen, die natürlich jede aus ihrer Zeit und mit ihrem Kenntnisstand übersetzt hat. Für alle, die sich für solche Feinheiten interessieren, lohnt sich die Gesamtausgabe ganz besonders. Neu waren für mich die Texte aus dem „Schöne-Sätze-Buch“, die Anne Frank teilweise selbst geschrieben und teilweise in Deutsch abgeschrieben hat – eine wichtige Information für meine Romanrecherche. Die die Leser im Übrigen daran erinnert, was man schnell aus den Augen verliert, weil Anne Frank das Tagebuch auf Niederländisch geschrieben hat, das sie keine Niederländerin, sondern Deutsche war. Ihre ersten Jahre hat sie in Frankfurt verbracht, sie hatte eine Großmutter in Aachen und eine in der Schweiz, mit denen sie Deutsch gesprochen und denen sie auf Deutsch geschrieben hat. Da für uns heute Anne Frank so eng mit Amsterdam und dem Hinterhaus verbunden ist, gerät das oft in Vergessenheit.
Für alle, die sich für Anne Frank interessieren, lohnen sich Lektüre und Anschaffung der Gesamtausgabe also in jedem Fall – und für Bibliotheken natürlich. Schließlich eignet sich das Tagebuch der Anne Frank sehr gut als Thema für den Schulunterricht – gerade auch die neuste Ausgabe, die so manchen pubertären Gedanken enthält, der auch heutigen Jugendlichen nicht fremd sein wird. Manche standen auch in der Ausgabe, die ich als 16-Jährige gelesen habe und sie sind in meinem Buch mit einem Rufzeichen gekennzeichnet. Andere sind neu hinzugekommen, weil Annes Vater Otto Frank sie in der ersten Fassung herausgelassen hat.
Genau das brachte ihm den Vorwurf ein, er hätte das Tagebuch gefälscht oder verfälscht. Betrachtet man sich jedoch die Geschichte des Buches, wundern einen die Änderungen nicht. Er hat die Seiten ursprünglich für seine Verwandten übersetzt und dabei nicht erwartet, dass es Weltruhm erlangen würde. Zumal die ersten Verlage das Manuskript abgelehnt haben, was auch kaum bekannt ist. Erst, nachdem am 3. April 1946 ein Artikel über das Tagebuch in der Tageszeitung „Het Parool“ erschien, zeigten erste Verlage Interesse. Im Sommer 1946 wurden dann erste Auszüge in der Zeitschrift „De nieuwe Stern“ veröffentlicht und erst 1947 die erste Auflage mit 1.500 Exemplaren. Es dauerte dann noch acht Jahre, bis in Deutschland der Durchbruch für das Buch kam, als Taschenbuch-Ausgabe bei Fischer.
Ende der 90er Jahre tauchten übrigens noch fünf bis dahin unbekannte Manuskriptseiten auf, die nach sorgfältiger Prüfung in die Gesamtausgabe aufgenommen wurden. Und jetzt mache ich mich an mein Manuskript, in dem Anne Frank nicht die Hauptrolle spielt, aber doch Einfluss nimmt.
09.12.2013 Westerbork – Filmdokumente aus 1944
In meinem nächsten Roman wird Anne Frank eine nicht unbedeutende Rolle spielen und so versuche ich, mich von ihren Lebensorten inspirieren zu lassen. Sicher werde ich in den nächsten Monaten noch nach Westerbork fahren, um mir vor Ort einen Eindruck von der Lage zu verschaffen. Es diente von 1939 aus Auffang- bzw. Durchgangslager für jüdische Flüchtlinge und war für 102.000 Menschen ein Übergangslager auf dem Weg in den Tod. Lediglich 5.000 Menschen, die in Westerbork waren, haben den Massenmord der Nazis überlebt. Unter denen, die starben, war auch Rudolf Breslauer, der jüdische Lagerfotograf, der Anfang 1944 vom Lagerkommandanten beauftragt wurde, einen Film über das Leben in Westerbork zu drehen. Ob das Originalfilmmaterial noch existiert, ist nicht bekannt. Es gab jedoch zwei Kopien, die teilweise unvollständig, gerettet werden konnten. Einen Auszug aus einer der Kopien habe ich heute im Cinema in Münster sehen können. Zusammen mit schätzungsweise 80 bis 100 anderen Besuchern der Vorführung. Sie fand im Anschluss an das Gedenken der Deportation jüdischer Bürger aus Münster am 13.12.1941 statt. Eingeleitet und kommentiert wurden die 30 Filmminuten, zu denen es keinen Ton gibt, von José Martin, die in der Gedenkstätte Westerbork arbeitet.
Westerbork war 1939 zunächst als Flüchtlingslager für die aus Deutschland in die Niederlande strömenden Juden gedacht. Es wurde auf Kosten der niederländischen Regierung errichtet, die allerdings plante, sich die Kosten von den jüdischen Gemeinden erstatten zu lassen. Das Lager war als kleine Stadt geplant mit Wohneinheiten, Theater, Krankenhaus, Einkaufsmöglichkeit. Als die Nationalsozialisten im Mai 1940 in die Niederlande einmarschierten, fanden sie also bereits ein funktionsfähiges Lager weitab von jeglicher Infrastruktur vor. Das war anfänglich etwas beschwerlich, weil sie den sechs Kilometer entfernten Bahnhof für die Anlieferung neuer Bewohner nutzen mussten. Der Zug der Menschen rief dann doch Aufsehen in der Stadt mit dem Bahnhof hervor, auch wenn diese sich nicht in unmittelbarer Nähe des Lagers befand. Es wurden daher schon bald Gleise in das Lager hinein verlegt, sodass die An- und Abtransporte, die immer mehr zunahmen unbemerkt von der niederländischen Bevölkerung von statten gehen konnten.
Zunächst jedoch diente das Lager als Sammellager, in dem Flüchtlinge und niederländische Juden interniert wurden. Am 15. Juli 1942 gingen dann die ersten Transporte in Richtung Auschwitz. Dies war der erste von 100 Transporten, die in der Regel dienstags angesetzt wurden. Je nachdem, ob die Betroffenen nach Auschwitz und Sobibor oder nach Theresienstadt und Bergen-Belsen verlegt wurden, fanden sie sich in Viehwaggons oder in Personenwagen wieder. Eine der Informationen, die der Film, der im Mittelpunkt der Veranstaltung stand, nebenbei vermittelte.
Es sind lauter solche versteckten Informationen, die das Besondere des Films ausmachen. Von einer Dokumentation des Lagerlebens ist er sicher weit entfernt, was schon daran deutlich wird, dass ausschließlich öffentliche Bereiche gezeigt werden: Ankunft und Abtransport, verschiedene Arbeitsplätze, Freizeitangebote wie das sonntägliche Fußballspiel oder ein Lager-Cabaret und das Krankenhaus bzw. die Zahnstation. Vom wahren Leben der Lagerbewohner, von ihrer Unterbringung, ihren Mahlzeiten, ihren sanitären Möglichkeiten zeigt der Film nichts. Er kommt einem vor wie ein Werbefilm für das Lager oder ein Bewerbungsfilm des Kommandanten für eine Auszeichnung.
Für meine Recherche ist der Film dennoch sehr hilfreich, bildet er dennoch den Alltag im Lager ab, zeigt zum Beispiel die Arbeit in der Batteriefabrik, für die auch Anne Frank eingeteilt war. Ich sehe, wie die Registrierung bei der Ankunft ablief und kann mir vorstellen, wie das Umfeld aussah, in dem das Mädchen sich aufhielt. Sie lebte mit ihrer Familie in dem „Gefängnis“ des Lagers, zu der ihre Baracke 67 gehörte. Dorthin kamen jene Juden, die gegen antijüdische Gesetze verstoßen hatten, den Stern nicht trugen, eine Institution besuchten, die Juden verboten war, oder wie die Familie Frank untergetaucht waren.
Rudolf Breslauer, der den Film gedreht hat, war ein deutscher Jude, der mit seiner Frau, seinen beiden Söhnen und seiner Tochter in die Niederlande geflohen war. Im Januar 1942 kam die Familie nach Westerbork, wo Breslauer damit beauftragt wurde, Fotos von den Lagerbewohnern zu machen, das geht aus einem Brief seiner Mutter hervor. Diese Tätigkeit hat ihn aber nicht dauerhaft geschützt, 1944 wurde er mit der Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er, seine Frau und die beiden Söhne umgebracht wurden. Nur seine Tochter Ursula hat das Lager überlebt.
Die Geschichte der beiden Kopien des Filmes ist so verworren, dass ich sie noch einmal recherchieren muss, ehe ich sie wiedergeben kann. 1958 tauchte eine Kopie in einem niederländischen Dokumentationszentrum auf, aber in den 90er Jahren auch noch fehlende Stellen im Filmmuseum. Klar ist, dass die Geschichte des Filmes noch nicht auserzählt ist, zumal es immer noch möglich sein kann, dass das Originalmaterial versteckt in Kisten, Truhen oder Archiven der Lagerbefreier finden. Das Drehbuch lässt vermuten, dass es mehr Aufzeichnungen gibt, als bisher bekannt sind.
Weitere Informationen über das Lager und den Film http://www.kampwesterbork.nl/de
20.10.2013 „Einblick – Ausblick“ – Start des Familie Frank Zentrums in Frankfurt
Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem Leben von Anne Frank und ihrer Familie. Warum, das wird sich dann zeigen, ist bei einer Autorin aber nicht so schwer zu erraten, oder? Jedenfalls habe ich ein Google Alert „Anne Frank“ eingerichtet und dadurch erfahren, dass am heutigen Sonntag im Familie Frank Zentrum in Frankfurt eine Ausstellung mit Alltagsgegenständen der Familie Frank eröffnet wurde. Schon begann ich an meiner bisherigen Recherche zu zweifeln, denn das Familie Frank Zentrum war mir noch nie begegnet. Wie auch? Die heutige Ausstellungseröffnung war so etwas wie ein „kick off“ für das Zentrum, das im Jahr 2017 fertiggestellt werden soll. Bis dahin werden ausgewählte Exponate in wechselnden kleinen Ausstellungen präsentiert.
In der Ausstellung „Einblick – Ausblick“ sind es Spiele, Bücher und andere Gebrauchsgegenstände aus dem Besitz von Buddy Elias. Upps, Buddy Elias kenne ich als Schauspieler, denken Sie. Stimmt Buddy Elias ist Schauspieler, aber auch der Cousin von Anne Frank. Beide stammen aus einer Familie, dessen Wurzeln sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Einige der Exponate wie die silberne Zuckerzange lassen das erahnen. Doch nicht nur Haushaltsgegenstände sind in der Ausstellung zu sehen. Auch Spiele und Bücher aus der Kindheit von Buddy Elias. Vom Holzbaustein über ein Lottospiel bis hin zu einem selbstgebastelten Familienquartett gibt es interessante Dinge anzuschauen. Als Kästner-Fan hat mich schon bei der Rede von Buddy Elias entzückt, dass er gerne „Emil und die Detektive“ gelesen hat. Sein Lieblingsbuch, wie er noch einmal betonte, als ich ihn bitte, ob ich ein Foto von ihm und „Emil“ machen dürfe. Ich durfte und freue mich sehr darüber, dass es auch nicht verwackelt ist. Angesichts der zahlreichen Fotografen mit deutlich luxuriöseren Kameras, wurde ich doch etwas unsicher ob meines Sonderwunsches.
Buddy Elias ist auch der Präsident des Anne Frank Fonds Basel, dem Universalerben für Urheber- und Fotorechte sowie des Archivs von Otto Frank und der Familie Frank. 2012 wurde entschieden, dem Jüdischen Museum Frankfurt Gegenstände aus dem Nachlass für ein Familie Frank Zentrum als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. In den nächsten Jahren sollen diese Unterlagen gesichtet, erforscht und in einem eigenen Bereich im renovierten und erweiterten Museum zur Ansicht bereitgestellt werden.
Die Familie Frank hat ihre Wurzeln in Frankfurt, Anne hat hier ihre ersten Lebensjahre verbracht, ein Grund, die Leihgaben in das dortige Jüdische Museum zu geben.
Buddy Elias ist der Sohn von Otto Franks Schwester Helene, die mit ihrem Mann Erich Elias und ihren Kindern Bernhard (Buddy) und Stephan um 1930 nach Basel emigrierte. Bis zum heutigen Tag lebt Buddy Elias mit seiner Frau Gerti in dem Haus an der Herbstgasse, in das seine Eltern nach der Emigration gezogen waren. Bis zum Einmarsch der deutschen Truppen in die Niederlande war die Familie Otto Frank mit der kleinen Anne dort manchmal zu Besuch. Buddy Elias hat eine fundierte Schauspielausbildung durchlaufen, er hatte Engagements an vielen bekannten Theatern, hat aber auch in vielen Kinofilmen und Fernsehserien mitgespielt. Zusammen mit seiner Frau Gerti Elias verwaltete er heute den Nachlass der Familie Frank, Gerti Elias hat zudem an Veröffentlichungen über Anne Frank mitgewirkt. Nebenbei hörte ich, dass sie zur Präsentation eines neuen Anne Frank-Buches wieder in Frankfurt weilen wird. Den Termin habe ich mir vorgemerkt. Demnächst also mehr über dieses Thema. Ergänzen sollte ich noch, dass im zweiten Teil der Kabinettausstellung Schwarz-Weiß-Fotos der Fotografin Barbara Klemm gezeigt werden. Sie hat die Exponate der Ausstellung dort fotografiert, wo sie sich bis zu ihrer Übersiedlung nach Frankfurt befunden haben: in der Herbstgasse in Basel. Eine schöne Idee, die den Betrachtern zusätzlich das Leben und den Alltag der Familie Frank-Elias nahebringen. © Dr. Birgit Ebbert www.birgit-ebbert.de