Das Projekt Zeitenlese beschäftigt mich seit über neun Jahren, ich weiß noch genau, dass ich auf Baltrum 2014 die Idee hatte und gleich mit der Recherche begonnen habe. Als ich dann zurück in Hagen war, hatte mich das wahre Leben wieder im Griff und die Realisierung verzögerte sich. Dank eines Förderprogramms der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung kann das Projekt nun endlich umgesetzt werden.
Darum geht es im Projekt Zeitenlese
Der Name Zeitenlese hat einen doppelten Sinn, zum einen geht es tatsächlich am Ende darum, dass Leser:innen zu Hause oder ich in Lesungen Geschichten über vergangene Zeiten lesen. Aber ich möchte auch daran erinnern, wie wichtig es ist, eben jene vergangenen Zeiten zu lesen im Sinne von interpretieren und daraus lernen. Das Projekt ist eine Antwort auf die erste Bemerkung darüber, dass man endlich die NS-Vergangenheit ruhen lassen soll, sie sei schließlich vorbei und spiele keine Rolle mehr. Vergangenheit kann man verdrängen, vergessen und nicht beachten, aber sie wirkt trotzdem. Das zeigen die Geschichten, die ich für das Projekt schreibe, das Frauenwahlrecht ist heute selbstverständlich, auch wenn viele vergessen haben, wie sehr Frauen und manche Männer dafür gekämpft haben. Wir trinken ganz selbstverständlich Fanta und die wenigsten wissen, wo und wie dieses Getränk erfunden wurde. Vergangene Ereignisse wirken – unterschiedlich und unterschiedlich lang, wie der Bau der Mauer zeigt, die länger verschwunden ist, als sie Deutschland teilte und dennoch in den Köpfen vieler Menschen gedanklich verankert ist. Meine Geschichten beschäftigen sich mit solchen Ereignissen und Momenten, die bis heute wirken. Der Fortschritt wird auf der Website www.zeitenlese.de dokumentiert.
Förderung des Projektes Zeitenlese
Nun könnte man denken, als Autorin könnte ich doch mal eben nebenher solche Geschichten schreiben. Aber auch eine Autorin muss ihren Lebensunterhalt bestreiten und das ist sehr zeitintensiv, da bleibt meist keine Zeit für Herzensprojekte. Seit 2014 habe ich zwar immer mal recherchiert und 2017 bereits mit dem Hagener Künstler Uwe Lex, der leider 2018 verstorben ist, über ein Projektbild gesprochen. Aber erst im ersten Pandemie-Jahr hatte ich die Zeit, die ersten Geschichten zu schreiben – dank des Corona-Arbeitsstipendiums vom Land NRW. In dem Rahmen habe ich recherchiert und die ersten zehn Geschichten geschrieben. Ich wusste, dass ich das Projekt unbedingt irgendwann zu Ende bringen will. Also habe ich mich in diesem Jahr bei der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung für das Förderprogramm „150 Jahre Villa Hügel – 150 Projekte für das Ruhrgebiet“ beworben und eine Förderung bekommen. Diese finanzielle Zuwendung erlaubt es mir, die Geschichten zu schreiben, und sie zwingt mich, die Geschichten zu schreiben. Nicht, dass ich gezwungen werden müsste, aber als Freiberuflerin nehme ich doch manchen Auftrag an, der zeitaufwändig und schlecht bezahlt ist, weil ich nie sicher sein kann, wann ein neuer Auftrag kommt. Stattdessen schreibe ich nun die Geschichten und nach jeder Geschichte bin ich glücklich, dass ich meinem Ziel näher komme und dass ich wieder etwas Neues gelernt und in eine Geschichte verpackt habe.